Der steinige Weg zur „Digital Excellence in Logistics“ größte Hürden, Erfolgsgeschichten und mögliche Roadmaps für Unternehmen

 

 

Stefan Bauer MSc, Data Scientist und Teil des Kernteams von the tean. Im Interview berichtet er über Digital Excellence, die größten Chancen für Unternehmen im Bereich der Digitalisierung und wie man die größten Herausforderungen erfolgreich bewältigen kann. Hr. Bauer erklärt auch, warum das Vorhandensein einer digitalen Strategie ein möglicher Erfolgsfaktor ist.

 

 

1) Wie definieren Sie für sich eine „Digital Excellence“ in der Logistik, die Unternehmen anstreben können?
Stefan Bauer: Wenn man unter „Digital Excellence“ Erfolgsfaktoren versteht, lassen sich folgende ableiten:
• Einsatz von Technologien und Infrastrukturen im Bereich Analytics und Big Data.
• Nutzung der in Unternehmen vorhandenen Daten (ca.10% der Unternehmensdaten werden tatsächlich verwendet). Ziel ist es in den Daten neue Zusammenhänge zu erkennen, um Prozesse zu optimieren und Entscheidungen zielgerichtet zu unterstützen.
• Vernetzung von Objekten und Akteuren im Rahmen von Plattformen z.B. Logistikplattformen. Diese Plattformen können dazu beitragen, Angebot und Nachfrage besser zu synchronisieren, um beispielsweise die Auslastung von LKWs zu optimieren.
• Entwicklung von digitalen Anwendungssystemen und Geschäftsmodellen. Dies kann zu einer wesentlichen Differenzierung von Mitbewerbern führen.

Abbildung 1: Technologiescreening, the tean

2) Wo liegen die größten Chancen bzw. der größte Nutzen für Unternehmen bei der Digitalisierung in der Logistik?
Stefan Bauer: Die Digitalisierung bietet der Logistik sehr viele Chancen:
Individualisierung: Spezifische Kundenanforderungen führen zu einer hohen Güter-/Warenvielfalt sowie zu einer Diversifizierung der Logistikdienstleistungen. Durch Individualisierung können kundenspezifische Anforderungen erfüllt werden.

Agilität: Steigende Komplexität der Supply Chain erfordert flexible und agile Prozesse. Nicht das Reagieren auf sich verändernde Rahmenbedingungen, sondern das Antizipieren dieser Veränderungen sichert langfristig den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.

Neue Services: Der Logistiker der Zukunft wird zunehmend auch zum Informationsprovider. So kann beispielsweise ein Lagerlogistikhersteller seinen Kunden Nachfragetrends zur Verfügung stellen, in dem er die anonymisierten Warentransaktionen von vielen Kunden in einer Branche auswertet.

Effizienzsteigerung und Kostenreduktion durch Automatisierung von administrativen Prozessen: In der Auftragsabwicklung können Aufträge automatisch von einem Robot bewertet werden, um den Disponenten in seiner Entscheidung zu unterstützen. Der Robot berücksichtigt dabei zahlreiche Parameter, die Einfluss auf die Auftragsannahme haben, wie zum Beispiel die Verfügbarkeit von Ressourcen, prognostizierte Aufträge, oder die generelle Wertschöpfung des Auftrages.

Nutzung neuer Technologien: 3D Druck (Logistiker wird zum attraktiven Ersatzteilproduzenten), Drohnen für die Paketzustellung und Augmented Reality für die Kommissionierung.

3) Wo sehen sie die größten Herausforderungen und wie können diese erfolgreich bewältigt werden?
Stefan Bauer: Wir haben für uns vier Herausforderungen identifiziert.
„Top 4 Herausforderungen“
• Aus dem Alltag herausbrechen und neue Geschäftsmodelle zulassen
• Erkennen welche Skills notwendig sind und diese rasch in die Organisation zu integrieren
• Digitalisierung nicht als reines IT Projekt anzusehen
• Schaffung einer digitalen Kultur

4) Welche praxiserprobte Vorgehensweise lässt sich bei der Umsetzung von Projekten für Unternehmen skizzieren?
Stefan Bauer: In der Praxis hat sich folgende Vorgehensweise als vorteilhaft erwiesen:
• Motivierte und in Hinblick auf Digitalisierung affine Teams zusammenstellen
• Klare Ziele und Messgrößen vorgeben
• Kurze Projektdurchlaufzeiten definieren
• Anpassen der Entwicklungsprozesse an das bisher Erlernte (Reflexion)
• Ergebnisse rasche in bestehende Prozesse und Systeme integrieren
• Über den Erfolg des Projektes berichten
• Kontinuierlich abklären wie die Zielsetzung des Projekts mit der Unternehmensstrategie oder mit der digitalen Strategie übereinstimmt

5) In welchen Bereichen der Wertschöpfung soll Digitalisierung bzw. Automatisierung primär stattfinden?
Stefan Bauer: Unsere Erfahrung zeigt, dass Digitalisierung sowohl in administrativen als auch in wertschöpfenden Prozessen Sinn macht. In wertschöpfenden Bereichen (Kommissionierung, Produktion) werden bereits viele Automatisierungstechnologien eingesetzt z.B. automatische Kommissionierungssysteme. Bei administrativen Prozessen z.B. Auftragsabwicklung, geht der Trend ebenfalls in Richtung Automatisierung bzw. Effizienzsteigerung.

6) Welche Branchen bzw. Unternehmen können als Benchmark oder best practice Beispiele fungieren?
Stefan Bauer: Unseren Erfahrungen nach zu urteilen, ist nicht die Branche oder die Größe eines Unternehmens ausschlaggebend für den Erfolg von Digitalisierungsprojekten. Der Erfolg hängt viel mehr von dem Mindset der Geschäftsführung oder dem Management ab. Dies erfordert von Entscheidungsträgern Mut zur Veränderung und Digitalisierungsthemen auch bei viel Widerstand voranzutreiben.

7) Welche strategischen Rahmenbedingungen sind für die Digitalisierungsbestrebungen wichtig?
Stefan Bauer:Ein wichtiges Kriterium ist die Durchgängigkeit von Strategie, Maßnahmen und Um-setzung. Unter Strategie verstehen wir das Vorhandensein einer Digitalisierungsstrategie, welche sich aus der digitalen Vision ableitet und eine Verbindung zur Unternehmensstrategie braucht. Die Maßnahmen in Form von Use Cases und neuen digitalen Produkten müssen den strategischen Vorgaben entsprechen. Schlussendlich erfolgt die Umsetzung der Maßnahmen durch den Einsatz von geeigneten Technologien und Skills.

8) Welchen Tipp können Sie den Führungskräften in den Unternehmen auf den Weg zur „Digital Excellence“ geben?
Stefan Bauer: Man muss sich dem Thema der Digitalisierung stellen und das tut man indem man beginnt. Je früher man startet desto mehr Zeit bleibt Unternehmen, den Weg und das Tempo selbst zu bestimmen.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist, über Branchen hinaus zu denken. Inputs von anderen Branchen sind der Nährboden für Innovationen und möglicherweise für neue Geschäftsmodelle.

Als weiterer Tipp sollte man Bestehendes und bisher Erreichtes reflektieren. Was ist der Status quo? Wo können wir uns verbessern?

Eine klare digitale Vision zu verfolgen und diese auch den Mitarbeitern zu kommunizieren, ist besonders wichtig. Wenn ein Unternehmen von seinen Mitarbeitern erwartet fortschrittlich, digital und innovativ zu denken dann muss das klar von der Unternehmensführung kommuniziert werden.

Mein letzter Tipp ist das Erlernen eines produktiven Umgangs mit Daten. Unternehmen besitzen einen großen Datenschatz, aus dem man neue Erkenntnisse gewinnen kann. Der Erkenntnisgewinn aus primär bestehenden Daten ist oftmals immens.

 

 

Herzlichen Dank für das Interview an Stefan Bauer von the tean. Die Fragen stellte Mag. Margot Elwischger, MIM, MBA Researcher im Bereich Logistik & Operations Management, Fachhochschule Salzburg, am 25.01.2019.